Pressespiegel 201827 vom 05.07.2018

 

 

Polen-Newsletter 27/2018

vom 05.07.2018

Mitte 21 – Verein zur Förderung der Völkerverständigung und der Demokratie e.V.

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wp.pl 

Reuters: Europäische Kommission wird Klage gegen Polen erheben

„Die Europäische Kommission wird Polen vor den Gerichtshof der Europäischen Union bringen“, sagte Reuters unter Berufung auf seine Quellen. Der Grund? Änderung des Gesetzes über den Obersten Gerichtshof, das die Entlassung der Richter ab 65 Jahren in den Ruhestand vorsieht.
Laut Tomasz Bielecki, ehemaliger Korrespondent der „Gazeta Wyborcza“ in Brüssel und derzeitiger Korrespondent der Deutschen Welle, bereitet die Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens vor. Dies soll geschehen, wenn die Verhandlungen mit Premierminister Mateusz Morawiecki auf dem EU-Gipfel scheitern.
Am Donnerstag sprach Frans Timmermans im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments, wo die Debatte über die Rechtsstaatlichkeit in Polen fortgesetzt wurde. Er erklärte, er sei sich der Notwendigkeit der „akuten Maßnahmen” im Fall der Richter des polnischen Obersten Gerichtshofs bewusst, die am 3. Juli in den Ruhestand treten sollen. Er sagte, dass die Kommission in diesem Fall noch keine konkreten Angaben gemacht hat. „Es gibt keinen Grund für die Europäische Kommission, ihre Position zu ändern. Die systemische Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ist nach wie vor vorhanden“, betonte der stellvertretende Leiter der Europäischen Kommission.
Es sei daran erinnert, dass das Gesetz über den Obersten Gerichtshof am 3. April in Kraft getreten ist und den Ruhestand von Richtern ab 65 Jahren vorsieht. Sie können ihre Aufgaben weiterhin wahrnehmen, sofern sie eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Sie könnten bis zum 2. Mai entsprechende Erklärungen und ärztliche Bescheinigungen vorlegen. Außerdem müssen die Erklärungen der Richter vom Präsidenten gebilligt werden.
In der Zwischenzeit haben die Richter des Obersten Gerichtshofs während der Generalversammlung am Donnerstag Beschlüsse gefasst, welche die durch das neue Gesetz über den Obersten Gerichtshof eingeführten Bestimmungen anfechten. Einer von ihnen geht davon aus, dass Richterin Małgorzata Gersdorf bis zum Ende ihrer Amtszeit, also bis zum 30. April 2020, Präsidentin bleibt.

Zsfg.: JP

https://wiadomosci.wp.pl/reuters-komisja-europejska-pozwie-polske-6267741144647297a


newsweek.pl 

Keine nationalistischen Wallfahrten mehr nach Jasna Góra? Es gibt eine starke Position des Episkopats

Die Kirche hat ernste Probleme mit dem Nationalismus. Schleichend und steigend. Deshalb hat die polnische Bischofskonferenz vor einem Jahr ein Dokument mit dem Titel „Die christliche Form des Patriotismus“ herausgegeben. Deshalb macht sie jetzt, da wir unseren 100. Jahrestag der Unabhängigkeit feiern, einen weiteren Schritt.
Im Text des letzten Jahres lesen wir, dass Nationalismus das Gegenteil von Patriotismus ist und dass es sich um eine nichtchristliche Haltung handelt. Der gestrige Text ist mehr praxisbezogen. Es ist eine konkrete Antwort der Kirche auf Situationen, die das polnische religiöse Leben zerstören: Nationalistische Wallfahrten und andere Feierlichkeiten, bei denen Nationalisten und nationalistisch gesinnte Priester ihre eigene Ideologie fördern und die Lehre Christi missachten.
Allein in diesem Jahr waren mindestens drei Skandale eklatant.
Am 13. Januar sollte die Patriotische Wallfahrt der Fußballfans mit einem Konzert von der Gruppe Hungarica bereichert werden. Es wurde in letzter Minute abgesagt, nachdem bekannt wurde, dass „die Mitglieder dieser Gruppe die Aktivitäten der neofaschistischen Partei Jobbik und der Nationalgarde aktiv unterstützen. Diese gelten als neonazistische Organisation“.
Am 14. April fand die fünfte Wallfahrt der nationalen Kreise nach Jasna Góra statt und Pater Roman Kneblewski sagte in seiner Predigt, dass „jeder polnische Katholik ein Nationalist und Patriot sein sollte“, woraufhin die „Pilger“ Parolen riefen: „Nicht regenbogenfarbiges, nicht weltliches, sondern katholisches Polen“, „Europa nur christlich“, „Jugend, Glaube, Nationalismus“ und „Salut dem Großpolen“.
Am selben Tag feierte der Pfarrer der Barbara-Kirche in Gdańsk, Pater Rajmund Lamentowicz, zum 84. Jahrestag der Gründung des Nationalen und Radikalen Lagers eine besondere Messe für die Mitglieder der Organisation.
„Heiligtümer dürfen keine Orte des Hasses gegen politische, soziale oder ethnische Gruppen sein“, heißt es in dem gestern vom Rat der Polnischen Bischofskonferenz veröffentlichten Dokument. „Die so genannten patriotischen Predigten dürfen nicht den Eindruck von ideologischen Reden im Dienste einer Pilgergruppe erwecken. Die Verbindung von Pilgerfahrt und sozialen Angelegenheiten ist nur im Kontext von Liebe, Versöhnung und der Suche nach der Heiligkeit des Lebens sinnvoll“.
„Ein Nationalist ist kein Patriot“, erklärt der Rat.

Zsfg.: JP

http://m.newsweek.pl/polska/spoleczenstwo/to-koniec-nacjonalistycznych-pielgrzymek-na-jasna-gore-reakcja-episkopatu,artykuly,429307,1.html?utm_source=insider&utm_medium=webpush&utm_content=newsweekpl&utm_campaign=#webPushId=NDEzOA==


oko.press.pl

Das Ende des Obersten Gerichts – so wie wir es kannten. Ab dem 4. Juli wird dort Chaos herrschen

Am Mittwoch, den 4. Juli, beginnt die Säuberungswelle unter den Richtern des Obersten Gerichts. An dem Tag tritt der Teil der „Reform“ in Kraft, den die PiS-Regierung 2017 beschlossen hatte, und zwar der Punkt, der die Richter über 65 zwangsweise in den Ruhestand schickt.
Aber es wird auch Chaos herrschen, denn von den 120 Richterstellen werden nur 55 besetzt bleiben, der Rest bleibt immer noch unbesetzt.
Die Gerichtspräsidentin Małgorzata Gersdorf, die ebenfalls von der Änderung betroffen ist, gab bekannt, am Mittwoch wie gewohnt „zur Arbeit zu erscheinen“, und unterstrich, dass laut der Verfassung ihre Amtszeit erst 2020 endet.
Wie die Regierung darauf reagieren wird, ist unbekannt. Regierungsvertreter oder Beamte der Präsidentschaftskanzlei von Staatspräsident Andrzej Duda hielten sich wortkarg und bedeckt. Sie haben weder bestätigt noch verneint, dass Gersdorf womöglich mithilfe der Polizei aus dem Gebäude entfernt werde.
Die übrigen Richter des Obersten Gerichts stehen alle zu Gersdorf und unterstrichen in ihren Beschlüssen vom 28.06.2018 abermals, dass die „Reform“ des Gerichts als Gesetz verfassungswidrig und somit ungültig sei. Und dass die Verfassung direkt angewendet wird. Im zweiten Beschluss widersprachen die Richter der Senkung des Höchstalters für Richter.
Das polnische Oberste Gericht kann noch von der Europäischen Kommission gerettet werden, falls sie gegen das PiS-Gesetz an dem Europäischen Gerichtshof klagt. In einem solchen Fall könnte der EUGH das Gesetz zurückweisen und Polen befehlen, das Gesetz wie auch die Folgen zurückzunehmen.

Zsfg.: ŁS

https://oko.press/koniec-sadu-najwyzszego-jaki-znamy-od-4-lipca-bedzie-tam-chaos/


dziennik.pl

Es gibt eine Anklage gegen Frasyniuk. „Er hat heftigen Widerstand geleistet, schlug mit den Beinen um sich, schrie und reagierte aggressiv“

Die Staatsanwaltschaft Warschau hat eine Anklage gegen Władysław Frasyniuk (einen der ehem. Anführer der „Solidarność“) beim Kreisgericht Warschau-Mitte eingereicht. Es drohen ihm bis zu 3 Jahre Freiheitsentzug. Wie der Staatsanwalt Łapczyński unterstrich, seien die gesammelten Beweise ausreichend, um zu zeigen, dass Frasyniuk schuldig sei.
Die Anklage hängt zusammen mit den Ereignissen vom 10. Juni 2017. Frasyniuk versuchte mit einer Sitzblockade, den Durchmarsch der allmonatlichen „Smolensk“-Kundgebung zu stoppen. Diese Sitzblockade wurde von der Bürgerbewegung Obywatele-RP („Bürger der Rep. Polen“) und anderen Aktivisten organisiert.
Die Staatsanwaltschaft fügt hinzu, dass Frasyniuk Mitte Februar zu den Vorwürfen als Verdächtiger bereits verhört wurde. Der Angeklagte hat den ihm vorgeworfenen Taten widersprochen und verweigerte jede weitere Aussage.

Zsfg.: ŁS

http://wiadomosci.dziennik.pl/polityka/artykuly/576922,prokuratura-jest-akt-oskarzenia-wobec-wladyslawa-frasyniuka.html



Der Entwurf des Gesetzes über das Abtreibungsverbot kehrt in den Sejm zurück 

Die Anti-Abtreibungsaktivistin Kaja Godek erreichte ihr Ziel. Am 2. Juli 2018 wird der Parlamentarische Ausschuss für Sozialpolitik und Familie das Projekt der Verschärfung des Anti-Abtreibungsgesetzes wieder aufnehmen. Erst am 27. Juni, als die Änderung des Gesetzes über das Institut für Nationales Gedenken in rasantem Tempo durch das Parlament ging, erinnerte Frau Godek daran, dass Ihr Projekt des Abtreibunsgverbotes seit sechs Monaten im Sejm liegt.
Das Projekt von Kaja Godek „Stop Abortion“ verschärft das ohnehin schon sehr restriktive Abtreibungsgesetz. Wäre es in Kraft getreten, wäre der derzeit zulässige Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer „schweren und irreversiblen Schädigung des Fötus oder einer nicht behandelbaren lebensbedrohlichen Krankheit“ illegal gewesen.
In der Praxis bedeutet dies, dass es dann in Polen keine legalen Abtreibung mehr geben würde. 95% der Abtreibungen werden wegen unheilbarer Krankheiten von Föten durchgeführt. Am Donnerstag, den 28. Juni 2018, gab Kaja Godek auf Twitter bekannt, dass das Projekt am 2. Juli vom Ausschuss für Sozialpolitik und Familie bearbeitet wird. Nur einen Moment später wurde diese Information von der Sejm-Kanzlei veröffentlicht.
Die von Kaja Godek vorgeschlagenen Regelungen gefallen der großen Mehrheit der Polen nicht. Sogar 37 % der Befragten befürworten eine Liberalisierung des geltenden Rechts. Und bis zu 55 % der Menschen glauben, dass eine Abtreibung nicht gesetzlich verboten werden sollte, wenn die betroffene Person sich in einer schwierigen Situation befindet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Frau Godek versucht, ihr Projekt durchzusetzen. Es wurde schon am 21. und 22. März von der Tagesordnung des Ausschusses gestrichen. Damals am 23. März fand ein weiterer „Schwarzer Protest“ gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes statt. Allein in Warschau nahmen mindestens 55 000 Menschen an der Demonstration teil.

Zsfg.: MB

https://oko.press/sejm-zareagowal-na-wezwanie-kai-godek-projekt-zakazu-aborcji-wraca-do-sejmu/


wyborcza.pl

1. Gleichheitsparade in Rzeszów. Tausend Menschen marschierten durch die Straßen der polnischen Stadt 

An der in Regenbogenfarben dekorierten Narutowicz-Brücke versammelten sich tausend Menschen, um am der ersten Gleichheitsparade in Rzeszów teilzunehmen. Sie trugen Regenbogenfahnen und Banner.
Gruppen von Rechtsradikalen aus der „Allpolnischen Jugend“ und aus den katholischen Kreisen von Rzeszów und Umgebung wollten den Marsch blockieren. Eine Stunde vor dem Beginn des Marsches organisierten sie ein öffentliches Rosenkranzgebet an der Narutowicz‑Brücke und eine Protestkundgebung zur Verteidigung der „traditionellen christlichen Werte“. Mehr als 50 Gläubige beteten gemeinsam für die „marschierenden Geschöpfe“. Sie hatten auch Banner, auf denen sie unter anderem schrieben: „Nur eine vollständige Familie wird die Welt retten“, „Jedes Kind will eine Mutter und einen Vater haben, wie es sich gehört“, „Homosexuelle wollen Sexerziehung für deine Kinder“, „Hört auf, Kinder zu demoralisieren“ und „Wir wollen keine Pornografie in der Schule“.
Die meisten Teilnehmer hatten eine tolle Zeit. Sie winkten den Nationalisten zu, die auf dem Weg des Marsches standen, schickten Küsse und formten Herzen mit den Händen. Daraufhin schrien diese noch lauter. Teilnehmer des Marsches verteilten Regenbogenfahnen und bunte Aufkleber. „Rzeszów begrüßt Sie mit Liebe“ riefen die Organisatoren des Marsches.
Aber die von den Kreisen der Allpolnischen Jugend organisierten Gegenmanifestationen sind nicht der einzige Hintergrund des Ersten Marsches für Gleichberechtigung in Rzeszów. Die Bewohner, die den Marsch beobachteten, lächelten die Teilnehmer an, die Kinder winkten ihnen zu, viele nahmen die Anstecker und hefteten sie an ihre Kleidung. Die Hochzeitsgäste aus einem der Pubs gingen hinaus und begrüßten die Demonstranten.
Ziel des Marsches ist es, LGBT-Gemeinschaften, Menschen mit Behinderungen, Diskriminierte, Flüchtlinge und nationale Minderheiten zu unterstützen. Fast tausend Menschen haben von Anfang an ihre Teilnahme daran erklärt. Dennoch schienen die Organisatoren angenehm überrascht zu sein. Von Anfang an wurde der Marsch von verschiedenen Persönlichkeiten und Organisationen aus dem ganzen Land unterstützt.

Zsfg.: MB

http://rzeszow.wyborcza.pl/rzeszow/7,34962,23617123,i-marsz-rownosci-tysiac-osob-maszeruje-ulicami-rzeszowa-okrzyki.html


Zitat der Woche

 

„Die prophetische Stimme der Enzyklika warnt vor den Auswirkungen der Empfängnisverhütung. Diese Art von Verhalten eröffnet einen weiten Weg sowohl zur ehelichen Untreue als auch zum allgemeinen Verfall der Sitten.
Männer, die sich an die Verhütungspraktiken gewöhnen, verlieren den Respekt vor Frauen, ignorieren ihr psychophysisches Gleichgewicht, reduzieren sie zu einem Werkzeug, um ihre egoistischen Begierden zu befriedigen, und hören folglich auf, sie als respektable Begleiterin ihres Lebens zu betrachten. Und jetzt haben wir eine Rückwirkung dieser Welle in Form der Aktion #MeToo.
Und die Amerikaner kündigten an, dass Schönheitswettbewerbe jetzt keinen Bikini-Auftritt erfordern würden.“

Erzbischof Henryk Hoser bei der Sitzung zum 50. Jahrestag der Verkündigung der Enzyklika „Humanae vitae“, die am 12. Juni 2018 im Warschauer Bischofssitz stattfand.

 

DEKODER auf Deutsch
http://dekoder.com.pl/deutsch-artikel/


DIALOG FORUM – Perspektiven aus der Mitte Europas 
https://forumdialog.eu/

 

Medienspiegel – in der deutschsprachigen Presse über Polen

 

ZeitOnline.de

Wir Polen wollen nur Gerechtigkeit
https://www.zeit.de/kultur/2018-06/europaeische-union-polen-westen-gleichberechtigung


ZeitOnline.de

Oberste Richter in Polen trotzen der Regierung
https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-06/justizreform-polen-richter-amt-gesetz-ruhestand


Deutschlandfunk.de

Polen entschärft Holocaust-Gesetz
https://www.deutschlandfunk.de/reaktion-auf-kritik-polen-entschaerft-holocaust-gesetz.1773.de.html?dram:article_id=421459


Deutschlandfunk.de

Weniger Geld für Polen?
https://www.deutschlandfunk.de/eu-foerdermittel-weniger-geld-fuer-polen.795.de.html?dram:article_id=421389


DeutscheWelle.de

Polen zeigt sich bei EU-Anhörung uneinsichtig
https://www.dw.com/de/polen-zeigt-sich-bei-eu-anh%C3%B6rung-uneinsichtig/a-44413767

Redaktion :

Małgorzata Burek
Jacek Cichoń +
Jerzy Paetzold
Christel Storch-Paetzold
Łukasz Szopa
Krzysztof Wójcik