„Eine Konservative Revolution. Polen 2019.”

– Gespräch mit Agata Bielik – Robson

 

POLiTISCH.kulturReihe

Gäste:               Agata Bielik – Robson
Organisation:   Mitte 21 e.V., U.Ptak
Moderation:     Urszula Ptak
Datum:                 06.11.2019                               Ort: Alte Jakobstraße 79-80, 10179 Berlin

 

Vorgeschlagenes Thema: „Konservative Revolution. Polen 2019“‚ erwies sich als nicht nur provokativ, sondern auch sehr real und aktuell.

Das Gespräch mit unserem Gast betraf die politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen nicht nur in Polen und seiner Umgebung, sondern auch auf der ganzen Welt. Auf der einen Seite der Geist der Modernisierung und Säkularisierung auf der anderen Rückkehr zur Spiritualität und Religiosität.

 

 

 

Agata Bielik-Robson Philosophin und Publizistin, Autorin zahlreicher Bücher und Publikationen, arbeitet an der Theologischen Fakultät der Universität Nottingham als Professorin für Jüdische Studien und am Institut für Philosophie und Soziologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften.

 

 

 

Agata Bielik-Robson bestritt nachdrücklich, dass das was in Polen passiert, eine Revolution ist, geschweige denn eine konservative Revolution. Aktuelle Trends hält sie für eine reaktionäre Rückkehr zu geschlossenen Strukturen, traditioneller Religiosität und nationalistisch-katholischem, schleichendem Putsch. Sie betonte die große Rolle, die der Katholizismus und die katholische Kirche in Polen leider spielen, die in keiner Weise etwas mit Spiritualität zu tun hat.

Nicht nur die derzeit regierende national-autoritäre PiS-Partei ist daran schuld, sondern auch die stark degenerierte, geschlossene und reaktionäre katholische Kirche mit einer großen Masse passiver, glaubender und an Traditionen gewöhnter Bürger.

Als Gesellschaft nutzten wir die uns 1989 eingeräumte Chance auf Freiheit nicht. Wir nutzen auch nicht der spätere Eintritt in die Familie der EU und in das NATO-Bündnis, und wir haben verloren. Wir nahmen die Potenziale der neu geschaffenen unabhängigen Staatlichkeit (eine lobenswerte Ausnahme ist die erfolgreiche Reform der Kommunalverwaltung) und die Freiheit von Wissen, Kultur, Presse und Reisen nicht wahr. Zwar verzichtete unser Gast darauf, die ersten Jahre der „Transformation“ und die Reformen von Prof. Leszek Balcerowicz zu kritisieren. Sie hält sie für notwendig. Umso mehr kritisierte sie die in den 90er und 2000er Jahren dominierenden politischen Parteien, sowohl die postkommunistische SLD, die sich nicht als linke Partei herausstellte, als auch die liberal-konservative PO, die in eine Selbstüberschätzung verfiel und ihre Werte und Wurzeln schnell vergaß.

Die Zusammenfassung des Treffens war eher pessimistisch: Polen entwickelte kein Basisprogramm, geschweige denn, was in der gegenwärtigen Politik von entscheidender Bedeutung ist, einen Diskurs auf emotionaler Basis, sei es als „moderner Patriotismus“ oder als europäische Vermittlung zwischen Ost und West. Während die katholische Kirche in Polen mit ihrer propagandistischen, ihrer wirtschaftlichen und historischen Stärke ihren Narrativ predigte, antiliberal, antieuropäisch, hinterwäldlerisch, bis hin zu Nationalismus und Antisemitismus, vergaßen die der PiS vorausgehende Regierungsteams die kulturelle und qualitative Bildung, nicht nur was die Kinder und Jugendlichen betrifft, sondern auch die ganze Gesellschaft. In den kommenden Jahren wird es schwierig sein, selbst wenn man die politische Niederlage des PiS-Lagers annimmt, dieser Trend anhalten, geschweige denn umkehren.

 

Impressionen von unserem Treffen mit Agata Bielik – Robson (Fot.: Artur Krynicki):