Polen-Pressespiegel 04/2020 vom 23.01.2020
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oko.press

Ein eindrucksvoller Beweis für den Mut der Richter und die Solidarität der Bürger: 30.000 Menschen beim Tausend-Roben-Marsch.

Wir gingen in Roben, damit uns alle Polen sehen konnten. Sehen, dass wir keine Außerirdischen, Kastenmitglieder, rote Socken, Verräter und Diebe sind. Wir sind Polen, die einen Beruf ausüben, der aus einer wichtigen Mission besteht“, sagte Krystian Markiewicz, Vorsitzender der Richtergemeinschaft „Iustitia“, vor dem Sejm zu Tausenden von Demonstranten.
Der Tausend-Roben-Marsch startete am Obersten Gericht. Er fand unter dem Motto „Das Recht auf Unabhängigkeit, das Recht auf Europa“ statt. Es war jedoch der einzige Slogan, der am 11. Januar 2020 bei der Demonstration erschien. Der Marsch sollte, wie von den Organisatoren gefordert, in Stille stattfinden, obwohl die Teilnehmer spontan anfingen, „Freie Gerichte!“ Zu rufen.
Als die Spitze des Tausend-Roben-Marsches am Präsidentenpalast vorbeikam, befanden sich einige der Demonstranten noch immer am Obersten Gericht, etwa 2,5 km entfernt. Nach Angaben des Warschauer Rathauses waren es ca. 30 000 Menschen. Niemand hat mit solchen Menschenmassen gerechnet. Der Marsch war gerichtet gegen das sogenannte Maulkorbgesetz, das der Sejm mit PiS-Stimmen beschloss, und zeigte Solidarität mit protestierenden Richtern – aus Polen und ganz Europa.
Es gab Schilder über der Menge. Es stand darauf: Österreich, Deutschland, Griechenland, Estland, Italien, Lettland, Frankreich. Aus all diesen Ländern kamen Richter nach Warschau, um den Kampf der Polen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Richter und der Freiheit der Justiz vor politischer Einmischung zu unterstützen.

Krystian Markiewicz sagte, dass über tausend Richter aus dem ganzen Land nach Warschau kamen.
Dies ist ein großer Ausdruck der Entschlossenheit und auch des Mutes, denn in den über vier Jahren der PiS-Herrschaft zeigte sie, dass das Machtlager nicht zögert, gegen Richter vorzugehen, die gegen den politischen Willen der Machthaber rebellieren.
Die Demonstration begann mit dem Singen der Nationalhymne. Die Richter sprachen nur an zwei Orten, vor dem Präsidentenpalast und vor dem Sejm der Republik Polen. Unter dem Sejm wurde das Lied „Frage nicht nach Polen“ gespielt und zum Finale wurde die Ode an die Freude gesungen, die inoffizielle Hymne der Europäischen Union.
„Es sollte eigentlich ein Tausend-Roben-Marsch sein, ich weiß bereits, dass es ein Tausende-Roben-Marsch geworden ist“, sagte Krystian Markiewicz, Präsident der Vereinigung „Iustitia“ am Ende vor dem Sejm.
Juristen kamen in Roben, einige mit zugeklebtem Mund.
An dem Marsch nahmen Richter aus ganz Polen teil. Unter ihnen gab es viele berühmte Persönlichkeiten, darunter Prof. Ewa Łętowska, erste Präsidentin des Obersten Gerichts Małgorzata Gersdorf, Richter Krystian Markiewicz.
„Das Inkrafttreten des Disziplinargesetzes bedeutet de facto das Ende der Gedanken- und Entscheidungsfreiheit der Richter. Alles aufgrund der Androhung von Disziplinarverfahren gegen Richter, die so und nicht anders entscheiden. Wir wollen zeigen, dass dies nicht sein darf. Wir sind nicht gegen Änderungen in der Justizverwaltung, aber wir sind dagegen, den Richtern einen Maulkorb anzulegen. Ich hoffe, dass die Warschauer Bürger uns unterstützen werden“, sagte Präsidentin Gersdorf vor dem Beginn des Marsches. Und tatsächlich, die Richter wurden von Passanten im Zentrum der Hauptstadt mit Applaus begrüßt.

Gersdorf: „Unser Marsch ist in gewisser Weise desperat. Mir wurde immer gelehrt, dass ein Richter durch Urteile sprechen sollte, aber die Situation ist außergewöhnlich. Wir hatten die Freiheit der Gerichte, jetzt wird sie genommen, es wird gesagt, dass wir eine Kaste sind.

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagt in einem Interview für Die Welt, wir seien Schüler der kommunistischen Richter. Ich frage mich, ob der Ministerpräsident in Polen in den Kindergarten gegangen ist, weil er in diesem Fall möglicherweise auch von kommunistischen Lehrern erzogen wurde.“

Wie gesagt, kamen auch Richter aus Österreich, Kroatien, Dänemark, Estland, Griechenland, den Niederlanden, Irland, Deutschland, Norwegen, Portugal, Rumänien, Ungarn und Italien nach Warschau. Um 14.00 Uhr fand in der Halle des Obersten Gerichts eine Pressekonferenz statt.
Auch Murat Arslan, ein türkischer Richter, der von Recep Erdoğan inhaftiert wurde, trat symbolisch auf. Diese Woche leitete der Richter einen Brief an „Iustia“ weiter, in dem er alle aufforderte, sich mit den polnischen Richtern solidarisch zu zeigen.
„Jeder, der zum Marsch kommt, wird Millionen repräsentieren, die an verschiedenen Orten der Welt für ein gemeinsames Ziel kämpfen“, schrieb Arslan. Wir haben seinen Brief in OKO.press veröffentlicht:
Organisatoren des Marsches sind die Vereinigung der polnischen Richter „Iustitia“, die Anwaltskammer „Defensor Iuris“, die Vereinigung der Staatsanwälte „Lex Super Omnia“, die Vereinigung der Familienrichter in Polen und die Vereinigung der freien Gerichte.
[…] „Jeder von uns braucht ein faires Verfahren und faire Verfahren und Strafen können nur von freien Gerichten garantiert werden. Deshalb unterstützen wir die Richter“, sagte zu OKO.press einer der Teilnehmer des Marsches.
Ein Richter aus Krakau: „Es besteht ein hohes Risiko, dass das Gesetz zum Ausschluss Polens aus dem europäischen Rechtsverkehr führen könnte.“
Ein Richter aus Łódź über die Reaktionen der Warschauer auf den Richtermarsch: „Es ist sehr bewegend, es ist schwer, die Tränen zurückzuhalten.“
Am Marsch nahmen auch Politiker teil, darunter zwei Präsidentschaftskandidaten: Małgorzata Kidawa-Błońska (PO) und Robert Biedroń (Linke).
[…] Richter Waldemar Żurek sprach vor dem Präsidentenpalast.
[…] Vor dem Sejm sprach Krystian Markiewicz, Präsident des Richterverbandes „Iustitia“, am Ende des Tausend-Roben-Marsches.
[…] Schließlich sprach Jose Igreja Matos, Präsident der Europäischen Richtervereinigung: „Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Marsch noch viele Jahre in Erinnerung bleiben wird.

In einer völlig unpolitischen Manifestation beschlossen Richter aus ganz Europa, sich hier in Warschau zu versammeln. Niemals, nie haben sich Richter aus so vielen Ländern, aus so unterschiedlichen Rechtskulturen mit einem so eindeutigen Ziel an einem Ort getroffen.“
[…]

Was ist das Disziplinargesetz?

Das Disziplinargesetz ist die Reaktion der Regierung auf das Vorgehen von Richtern, die auf der Grundlage des Urteils des EuGHs vom 19. November den Status von Richtern prüfen wollten, die unter Beteiligung des neuen, politisierten Landesrats für Gerichtsbarkeit [KRS] ernannt wurden. Der erste Richter in Allenstein, der dies tat, war Paweł Juszczyszyn, dessen Delegation zurückgezogen wurde, er wurde suspendiert und ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet.
Mit dem am 20. Dezember vom Sejm verabschiedeten Gesetz wurde der Katalog der Disziplinarvergehen um folgende Bereiche erweitert:

– Handlungen oder Unterlassungen, die das Funktionieren der Justiz verhindern oder erheblich beeinträchtigen können.
– Handlungen, die das Bestehen einer Dienstbeziehung eines Richters oder die Wirksamkeit seiner

Ernennung in Frage stellen.
Es ist nicht möglich, die Entscheidung des Präsidenten, Richter zu ernennen sowie die Entscheidung, die gegen die Neo-KRS-Verfassung verstößt, zu hinterfragen. Bei Fehlverhalten besteht für Richter und Staatsanwälte die Gefahr des Lohnabzugs und sogar der Entlassung. Richter und Staatsanwälte haben ebenso schriftliche Erklärungen über ihre Tätigkeit in Verbänden, Stiftungen und politischen Parteien abzugeben. Das Funktionieren der gerichtlichen Selbstverwaltung wird ebenfalls eingeschränkt.
Das Maulkorbgesetz ändert auch die Machtverteilung am Obersten Gericht. Der von der PiS eingerichteten außerordentlichen Kontrollkammer wurde Vorrang vor anderen Kammern des Obersten Gerichts eingeräumt, die Befugnisse der Disziplinarkammer wurden erweitert.
Das Gesetz gefährdet die Unabhängigkeit der Richter und stellt die Mitgliedschaft Polens in der europäischen Rechtsordnung in Frage. Gegen das Gesetz protestierten die Europäische Kommission und nachfolgende Gremien des Europarates: die Parlamentarische Versammlung des Europarates und der Menschenrechtskommissar.

Zsfg.: JP

https://oko.press/idzie-marsz-tysiaca-tog-zobacz-relacje-live/

oko.press

Gedenken an Adamowicz, 20 Millionen Złoty mehr als vor einem Jahr, und das Große Umarmen. Das 28. Finale des Großen Orchesters der Weihnachtshilfe ist ein voller Erfolg.

Die vorläufige Zählung ergab über 115 Mio. Złoty. Der endgültige Betrag wird am 8. März bekannt gegeben. Dann wird sich herausstellen, ob das diesjährige Finale des Großen Orchesters der Weihnachtshilfe (poln. WOŚP) unter dem Motto „Wind in den Segeln“ einen Rekord erreicht hat. Im Moment deutet alles darauf hin.
Am Ende des Finales erreichte die gesammelte Summe genau 115 362 894 Złoty, letztes Jahr wurden zu diesem Zeitpunkt 20 Millionen Złoty weniger eingezogen. Das gesammelte Geld wird für den Kauf von medizinischen Spezialgeräten verwendet, um das Leben und die Gesundheit zu retten.
Zum anderen soll die Sammlung in Australien, wo das WOŚP auch sammelt, Opfern von Bränden helfen, die dieses Land seit September 2019 verwüstet haben.
Zweifellos ist das diesjährige Finale von der Erinnerung an den Danziger Präsidenten Paweł Adamowicz geprägt, der im letzten Jahr auf der Danziger Bühne des Großen Orchesters der Weihnachtshilfe ermordet wurde.
„Denken Sie daran, dass das Gute gewinnt, dass das Böse nicht gewinnen kann, dass wir nicht eingeschüchtert werden“, sagte beim Finale der WOŚP Magdalena Adamowicz, Witwe des tragisch verstorbenen Präsidenten in Danzig.
„Paweł ist bei mir, er ist die ganze Zeit bei mir, sein Ehering hängt an meinem Hals. Er ist bei uns allen. Danzig ist großzügig, Danzig freut sich über das Gute. Danke, liebt einander und ich liebe euch“, schloss sie ihre Rede.
Vor einem Jahr, gegen 20 Uhr, sprang Stefan W. auf die Bühne des WOSP in Danzig. Er lief auf den Bürgermeister zu und stach auf ihn mehrmals ein. „Hallo, hallo! Ich heiße Stefan Wilmont. Ich saß unschuldig im Gefängnis! Ich saß unschuldig im Gefängnis. Die Bürgerplatform (PO) hat mich gefoltert. Deshalb ist Adamowicz gestorben“, rief er, bevor er überwältigt wurde.
„Es wird während dieses Finales sicher sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas noch einmal passieren könnte. Ich bin damit nicht einverstanden, diese beiden Dinge in Verbindung zu bringen“, sagte Owsiak in einem Interview mit der Gazeta Wyborcza am Tag vor dem diesjährigen 28. Finale.
Der Tod von Adamowicz im vergangenen Jahr hatte zweifellos Auswirkungen auf Jacek Jaśkowiak, den Präsidenten von Posen, und seine Familie. Auch er sammelte heute als einer der Freiwilligen des Größen Orchesters der Weihnachtshilfe. Obwohl er erklärte, dass er keine Angst habe, ging er in einer kugelsicheren Weste auf die Straße. „Ich halte mich nur an die Empfehlungen der Experten. […] Es ist zwar erforderlich, aber ich bedaure, es tun zu müssen“, sagte er in einem Interview. Er fügte hinzu, dass das Finale der WOŚP ihn immer „in Verbindung mit Paweł Adamowicz und seiner Arbeit bringen wird“.
Aufgrund der Ereignisse des letzten Jahres wurde der Schutz von WOŚP-Konzerten erhöht.
Das 28. Finale war jedoch von freudigen Ereignissen geprägt. Wie Konzerte und andere Veranstaltungen, die in Polen insgesamt über tausend Mal stattfanden.
Dazu gehörte die sogenannte „Ściskawa“ (Große Umarmung). Das Prinzip ist, so viele Menschen wie möglich auf einem gezeichneten Herz unter zu bringen. Überall hatte es die gleichen Abmessungen, 20 Quadratmeter. Das zeitliche Limit der „Ściskawa“ beträgt eine halbe Stunde. Städte kämpfen um einen Sonderpreis: medizinische Geräte im Wert von 50 000 Złoty.
In diesem Jahr gewann Rzeszów den Wettbewerb, 465 Menschen passten in das Herz.
Die australischen WOŚP-Mitarbeiter befanden sich in Sydney, Melbourne und Perth.
„Zeigen wir den Australiern, dass wir mit ihnen solidarisch sind. Wir wissen, dass sie nicht nur mit dem Element kämpfen, sondern auch ihre Häuser wieder aufbauen müssen“, sagte Jerzy Owsiak, der das diesjährige WOŚP-Finale eröffnete.
Auf dem Teatralny-Platz in Warschau, wo das zentrale Ereignis des Orchesters organisiert war, wurde auch die australische Hymne gespielt und eine riesige australische Flagge ausgerollt. „Wir wollen uns mit dem fernen, fernen Australien verbinden. (…) Wir wünschen euch alles Gute, Ausdauer und Entschlossenheit. Wir sind für euch da“, sagte Owsiak von der Bühne.
Seit Jahren engagieren sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die der WOŚP verschiedene Gegenstände zum Versteigern schenken.
In diesem Jahr kann man eine Replik der Nobelmedaille von Olga Tokarczuk ersteigern. Der Preis hat bereits 76 Tausend Złoty überschritten.
Interessant ist auch das Auto von Regisseur Wojtek Smarzowski, Mazda 3. Die Internetnutzer sind bereit, über 55 000 Złotys dafür zu zahlen. Es gibt auch andere, sehr originelle Gegenstände wie z. B.: ein „Monster Maluch“, umgebauter Fiat 126p mit Allradantrieb.
Die Auktion bietet auch Verabredungen, beispielsweise ein Abendessen mit dem Boxer Mike Tyson oder ein Mittagessen mit dem Fußballer Robert Lewandowski. Aber auch eine Reise nach Prag mit der Regisseurin Agnieszka Holland (12 000 Złoty).

Zsfg.: MB

https://oko.press/pamiec-o-adamowiczu-20-mln-zl-wiecej-niz-rok-temu-i-wielka-sciskawa-28-final-wosp-to-wielki-sukces/

rpo.gov.pl
„Wer soll der Wächter der Regierenden sein und die Bürger verteidigen, wenn nicht die Gerichte?“ Der Bürgerrechtsbeauftragte im Senat über das „Maulkorbgesetz“.

Am späten Abend des 16. Januar 2020 ergriff der Bürgerrechtsbeauftragte Adam Bodnar das Wort in der Plenardebatte des Senats über die Änderungen der Gesetze vom 20. Dezember 2019 über das System der ordentlichen Gerichte, über den Obersten Gerichtshof und einiger anderer Gesetze. Seine Rede beendete er am frühen Morgen des 17. Januar.
Die Ausschüsse des Senats haben beantragt, das Gesetz abzulehnen. Am Nachmittag des 17. Januar lehnte der Senat das Gesetz mit 51 zu 48 Stimmen ab.  Nun kann der Sejm diesen Antrag des Senats mit absoluter Mehrheit der Stimmen in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Abgeordnetenzahl ablehnen. Das Fehlen einer absoluten Mehrheit bedeutet, dass das Gesetz nicht rechtswirksam wird.
Der Bürgerrechtsbeauftragte betonte in seiner Rede, dass der Senat das Gesetz ablehnen solle. Es verstößt gegen die Verfassung, verstößt gegen die polnische Rechtsordnung, unterwirft die Gerichte einer übermäßigen Kontrolle durch die Exekutive, widerspricht den Verpflichtungen Polens gegenüber der Europäischen Union, untergräbt den Rechtsschutz der Bürger und stellt die legale Teilnahme Polens an der EU und dem Europarat in Frage.
„Die Verabschiedung dieses Gesetzes ist der Weg zum juristischen Polexit, d.h. zur Aushöhlung unserer Mitgliedschaft in der Union von ihrem Wesen her, die ein System ist, das auf gegenseitigem Vertrauen, Zusammenarbeit und der Achtung gemeinsamer rechtsstaatlicher Normen beruht“, urteilte Adam Bodnar. Er betonte, dass die bisherigen Änderungen seit 2016 die Arbeitsweise der Gerichte nicht verbessert hätten und erinnerte an den Kontext, in dem der Sejm das Gesetz verabschiedet hat. Dies geschah kurz nach wichtigen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs, die auf die Notwendigkeit von Rechtsverbesserungen hinwiesen. „In dieser Situation – so Adam Bodnar – hätten wir Initiativen erwarten können, die Polen wieder zur Rechtsstaatlichkeit zurückgeführt hätten. Inzwischen sind wir jedoch Zeugen von Repressionen gegen Richter, ihrer „Disziplinierungen“ für die Anwendung des europäischen Rechts, für die Stellung von präjudizialen Fragen für Prüfungen des Status schlecht ernannter Richter (einschließlich Strafanzeigen). Wir sehen, wie die Autorität der Gerichte untergraben wird. Die Krönung dieser Aktionen ist die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Krise des Rechtsstaates weiter verschärft und zu einem „Einfrierungseffekt“ führt.“
„Und diese Krise ist nicht neutral für die Bürger und die Wirtschaft. Sie kann den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in der EU beeinträchtigen, was dazu führen kann, dass polnische Gerichtsentscheidungen in der EU nicht anerkannt werden. Die EU-Gerichte missbilligen die polnischen Gerichte bereits als nicht unabhängig, erkennen aber gleichzeitig an, dass dies die Situation einer Person, die aufgrund eines Europäischen Haftbefehls nach Polen zu überstellen ist, nicht berührt. Nach der Verabschiedung dieses Gesetzes könnten die EU-Gerichte jedoch urteilen, dass solche Personen nicht mehr nach Polen im Rahmen des EAW-Verfahrens (European Arrest Warrant) überstellt werden“, warnt der Bürgerrechtsbeauftrage. „Denken wir auch an grenzüberschreitende Familien, die sich um ein Kind streiten und das ausländische Gericht wird die Entscheidung des polnischen Gerichtes, das Sorgerecht einer polnischen Mutter zu gewähren, nicht anerkennen wollen“, sagte Adam Bodnar. Es könne ebenso vorkommen, dass Urteile von Handels- oder Wettbewerbsschutzgerichten nicht anerkannt würden.
„Wer soll der Wächter der Regierenden sein, wenn nicht die Gerichte, wer soll die Bürger verteidigen, wenn nicht die Gerichte“, fragte der Bürgerrechtsbeauftragte. Denn wenn wir die Richter zum Schweigen bringen, bringen wir die Bürger zum Schweigen, denn dann haben sie nicht mehr die Mittel, ihre Rechte zu verteidigen.  Und das Gesetz soll einen solchen „Einfrierungseffekt“ haben.“
Nach Ansicht des Bürgerrechtsbeauftragen liegt die Lösung der aktuellen Krise in den Händen derer, die die Gesetzgebungsbefugnis haben. Sie sollte auf Konsens und Verantwortung für die Einhaltung der Verfassungsordnung beruhen und sich auf unsere Verfassungstradition und die Tradition des „Runden Tisches“ von 1989 stützen. Sie sollte den dort festgelegten Grundsatz für die Wahl der Mitglieder des KRS (Landesjustizrat) durch Richter wieder einführen und die Transparenz der Wahlen erhöhen. Sie sollte Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz bieten und ein Rechtschaos verhindern. „Wenn das nicht geschieht, werden wir weiter in die Krise stürzen“, fügte Adam Bodnar hinzu. „Es geht darum, Lösungen für viele Jahre zuzustimmen. Vielleicht sind wir an einer solchen Stelle, wo das extrem schwierig ist. Vereinbarungen müssen von beiden Seiten des Streits gewollt werden.“ Dies würde auch Vertrauen zwischen den Richtern und der Exekutive erfordern. Der Bürgerrechtsbeauftragte wies darauf hin, dass es dem Justizministerium nicht das Recht nehme, sich erfolgreich zu fühlen, z. B. durch die Reform der Unterhaltserhebung oder die Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Fällen.
Adam Bodnar stimmte mit der Meinung der Venedig-Kommission überein, dass wir heute ein „großes Schisma“ in der Justiz hätten und dass die Regierungspartei, statt Abhilfe zu schaffen, die Unabhängigkeit der Gerichte noch weiter einschränken würde. Diese Stellungnahme sei ein Ausdruck der Besorgnis – er bewertete sie und wies darauf hin, dass dies das erste Mal sei, dass die Stellungnahme der Kommission der Verabschiedung eines Gesetzes vorausgehe. Die Venedig-Kommission vertrat in ihrer Stellungnahme die Auffassung, dass dieses Gesetz die Unabhängigkeit der Justiz bedroht. Ihrer Ansicht nach können einige Bestimmungen des Gesetzes als weitere Aushöhlung der Unabhängigkeit der polnischen Justiz angesehen werden. Die Delegation der Kommission war vor kurzem in Polen und traf dort unter anderem mit dem Bürgerrechtsbeauftragten zusammen.

Zsfg.: AV

https://www.rpo.gov.pl/pl/content/wystapienie-rpo-w-senacie-ws-ustawy-kagancowej?fbclid=IwAR3d_dKtxONzVl7DjDUuBbkGWSmwTne44Tsdjx1un1-kbyylBSmfHwCAQiw

natemat.pl

Szydło, Jaki, Kempa in Straßburg wie Elefanten im Porzellanlager. 6 Zitate aus der Debatte im Europäischen Parlament.


Rüpelei“, „Kindergarten“,so kommentieren Twitterteilnehmer das Verhalten der PiS-Abgeordneten während der Debatte im Europäischen Parlament. Die Politiker aus der Partei von Jarosław Kaczyński antworteten mit Geschrei und mit vielsagender Mimik gegen die Anschuldigungen, dass die PiS – auch mit ihrer Hilfe – die polnische Rechtsstaatlichkeit zerstöre. Hier einige Beispiele von Aussagen der Mitglieder der Vereinigten Rechten.

  1. Beata Szydło über die Justiz: „ein kommunistisches Relikt“

„Gerichte in Polen sind unabhängig. Sie dürfen protestieren und niemand stellt Ordnungskräfte gegen sie auf. Alle im Saal sitzenden Polen und die hier eingeladenen Richter wissen es (…). Die polnische Regierung hat wiederholt erklärt, warum Justizreformen notwendig sind. Die Justiz ist immer noch ein kommunistisches Relikt in einem demokratischen Staat.“

  1. Patryk Jaki gegen Technologie

„Sie sagen ganz allgemein, dass in Polen gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen wird, aber es werden keine konkreten Beispiele angeführt. Es stört Sie, dass Polen nicht am deutschen Hosenbein hängt, dass Polen von den Knien aufsteht. Polen weigert sich, Migranten und Technologien zu akzeptieren, es will ein souveräner, subjektiver Staat sein.“

  1. Beata Kempa: Ich bin auch geschädigt

„Wer von Ihnen hat mindestens ein Gesetz zur Reform der Gerichte gelesen und verstanden? Ich wette niemand (…). Frau Kommissar Jourová, Sie sagen, man muss die Richter anhören. Wann kommen Sie nach Polen? Wann werden Sie die Opfer der Justiz treffen, es gibt Tausende von ihnen (…). Ich bin auch geschädigt, mein Büro wurde niedergebrannt, der Täter ist immer noch auf freiem Fuß, und mein Mann und ich zittern jeden Tag, dass er mein Haus in Brand steckt. Und es gibt Tausende solcher Menschen.“

  1. Anna Zalewska und der blasse Schimmer

„Sie verwenden Formulierungen, von denen sie nicht den blassensten Schimmer haben. Bitte geben Sie ein Beispiel für eine Säuberung in Polen in einem freien souveränen Land. (…) Die Polen lieben die Union und sie wollen Veränderungen im Justizsystem. Bitte zitieren Sie keine Zeitungstitel, sondern nennen Sie Beispiele, aber es gibt keine.“

  1. Joachim Brudziński beschuldigt die Europäische Kommission

„Wo waren Sie, als die Sonderdienste in die Redaktion der Wochenzeitung Wprost kamen? Wo waren Sie, als die Aktion Widelec stattfand, als völlig unschuldige Fans festgenommen wurden? Wo waren Sie, als es zu Provokationen der Polizei kam und als die Unabhängigkeitsmärsche auseinandergetrieben wurden? Wo war die Europäische Kommission damals?“

  1. Jadwiga Wiśniewska: Die Opposition gegen PiS schadet Polen

„Wir haben es nicht verdient, dass unser Name auf dem europäischen Forum schlecht gemacht wird. Die Abgeordneten der Opposition schaden ihrem Vaterland. (…) Wir haben eine Opposition, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Berichte über Polen zu erstatten und falsche Informationen darüber zu liefern. Dies ist ein Beispiel für Fehlinformationen, die ihrem Vaterland schadet.“

Zsfg.: JP

https://natemat.pl/296725,szydlo-jaki-kempa-wstyd-w-strasburgu-6-cytatow-z-debaty-w-pe?fbclid=IwAR2kdEyuKF-qgtgspldRW4Q3smF40cCLM1W8n6mNy1mq-a6oAl-WlFvSLSw

crowdmedia.pl
Ein weiterer Beweis für die Inbesitznahme des Staates durch die PiS. Das Geld für den Kampf mit den Lehrern ging an eine mysteriöse Firma.


Die Tageszeitung „Rzeczpospolita“ fügt einen weiteren Beweis für die Oligarchisierung des Staates hinzu. Seit April letzten Jahres weigert sich das Ministerium für Nationale Bildung, Fragen zu den Produktions- und Ausstrahlungskosten eines Spots zu beantworten, der eine Antwort der PiS-Regierung auf den nationalen Lehrerstreik sein sollte. Es geht um das Video „Wir sind mit euch“, das auf Seiten der sozialen Medien, dem You Tube-Kanal und von TVP gezeigt wurde“, schreibt die Tageszeitung.
Die Kampagne „Wir sind mit euch“ sollte die öffentliche Sympathie auf die Regierung umlenken und eine Antwort auf den größten Lehrerstreik in der Dritten Republik Polen geben, der in die Zeit der Prüfungen in den Grund- und weiterführenden Schulen fiel. Nicht nur die Produktion selbst war umstritten, sondern auch die Geheimhaltung von Informationen über ihre Kosten. Das Ministerium antwortete auf die Frage des KO-Abgeordneten Marcin Kierwiński, dass die Veröffentlichung der Kosten eine Verletzung des Betriebsgeheimnisses darstelle. Die gleiche Antwort wurde der „Rzeczpospolita“ gegeben. Ende letzten Jahres wiederholte die Zeitung die Fragen und schaffte es, immerhin ein paar kümmerliche Informationen zu erhalten. Eine Sprecherin des Ministeriums schrieb, dass der Spot aus dem Budget des Ministeriums für Nationale Bildung finanziert wurde und dass der Auftragnehmer die Ad Craft GmbH war. Das Ministerium hat 40 000,- Zloty für die Produktion ausgegeben, wie viel TVP mit der Ausstrahlung verdient hat, ist nicht bekannt.
Die Journalisten der „Rzeczpospolita“ haben sich Ad Craft genauer angesehen und damit wurde es interessant. Das Unternehmen hat seinen Sitz in einem virtuellen Büro, so dass es nur formal auf Papier existiert. Das Stammkapital beträgt 20 000,- PLN und die Firma wurde im Jahr 2016 gegründet. Der einzige Eigentümer der Firma ist eine andere Firma Mantini Media, die Andrzej Rudkowski gehört – der Handelsregisterauszug dieser Firma zeigt, dass ein Warschauer Gerichtsvollzieher eine Exekution gegen den Eigentümer von Ad Craft, Mantini Media, durchgeführt hat. Vor einigen Monaten stellte er das Verfahren ein, weil die Kosten der Vollstreckung die Höhe der Ansprüche überstiegen, berichtet die Tageszeitung „Rzeczpospolita“.
Beide Unternehmen sind auf dem Werbeagenturmarkt unbekannt, und die Journalisten schütteln den Kopf darüber, wie es möglich gewesen ist, dass das Ministerium ihre Dienste gefunden hat. Eine Erklärung findet sich im Jahr 2011 und in der mikroskopisch kleinen Firma Fusion Media aus Krakau, wo die Präsidenten von Ad Craft und Mantini Media tätig waren. Im Wahlkampf 2011 veröffentlichte das Krakauer Unternehmen eine nicht beim Verband zur Kontrolle des Pressevertriebs registrierte Wochenzeitung, in der die PiS Werbung schaltete, die aus dem Wahlkampfbudget bezahlt wurde. „Die Partei hat etwa eine halbe Million Zloty dafür ausgegeben“, schreibt die Zeitung. Die Wochenzeitung „Polityka“, die dies 2013 enthüllte, schrieb über „beispiellose Summen auf dem Medienmarkt“.
So sind in Ungarn Oligarchen entstanden, die sich auf Regierungs- und Parteibestellungen stützen. Dies ist wahrscheinlich nur ein Bruchteil dessen, was in einem Staat passieren kann, denn der Skandal um die KNF (Finanzaufsichtsbehörde) hat gezeigt, dass viel größere Beträge involviert sein können. Seltsame Unternehmen, seltsame Aufträge, alles unter dem Deckmantel, den Staat zu reparieren und ein traditionelles Familienmodell aufzubauen.

Zsfg.: AV

https://crowdmedia.pl/kolejny-dowod-na-uwlaszczanie-panstwa-pieniadze-na-walke-z-nauczycielami-trafily-do-tajemniczej-firmy/?fbclid=IwAR2fcCjjET5TVlkJ7-nUZtXxq_OA-g010drR12HWzb_UvovLivmkfxWfTSA

oko.press

Es gibt grünes Licht! Die Europäische Kommission wird den EuGH um eine einstweilige Verfügung zu gerichtlichen Änderungen der PiS bitten.

Die Kommission wird den Gerichtshof der EU auffordern, eine einstweilige Verfügung in Bezug auf die Disziplinarvorschriften für Richter anzuordnen“, kündigte die Kommission nach einem Treffen der Kommissionsmitglieder am 14. Januar an. Die Maßnahme besteht darin, die Arbeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts auszusetzen. „Wenn der EuGH zustimmt, sollten die Verfahren in der Kammer ausgesetzt werden“, erklärt Dr. habil. Piotr Bogdanowicz von der Universität Warschau.
„Das Kollegium der Kommissare gab den Juristischen Diensten der Kommission grünes Licht, um den EuGH aufzufordern, die einstweilige Verfügung in einem Fall betreffend der Disziplinarvorschriften für Richter zu beantragen.“, sagte Kommissar Nicolas Schmit nach dem Dienstagstreffen der EG-Behörden.
Die Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, schrieb auf Twitter, dass die Kommission vorübergehend die Aussetzung der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts fordern werde.
„Wir sind weiterhin bereit für einen konstruktiven Dialog mit Polen, der auf Ehrlichkeit und Respekt beruht“, betonte Jourová. Wir werden in den kommenden Tagen weitere Einzelheiten des Kommissionsvorschlags erfahren.
„Im Oktober 2019 verklagte die Kommission die polnischen Disziplinarvorschriften vor dem EuGH. Weil die nachfolgenden Disziplinarverfahren gegen Richter, die PiS-Reformen kritisieren, könnten darauf abzielen, ihre Unabhängigkeit einzuschränken und damit die Grundwerte der Union zu verletzen“, sagten die EG-Experten.
In der Disziplinarkammer gibt es nur Richter, die bereits vom politisierten Landesrat für Gerichtsbarkeit empfohlen wurden. Es handelte sich hauptsächlich um ehemalige Staatsanwälte, die eng mit Justizminister Zbigniew Ziobro zusammenarbeiteten. Die Kammer hat außergewöhnliche Befugnisse innerhalb des Obersten Gerichts, beispielsweise unterliegt ihr Präsident nicht dem Präsidenten des Obersten Gerichts. Und als ein Teil des „Maulkorb“ -Gesetzes will die Regierung sie weiter stärken.
Der Gerichtshof hat kürzlich im Oktober 2018 in einem polnischen Fall eine einstweilige Verfügung erlassen, als er die Bestimmungen des neuen Gesetzes prüfte. Anschließend befahl er der polnischen Regierung, die Säuberung „einzufrieren“ und vorzeitig pensionierte Richter wieder einzustellen. Schließlich verzichtete die PiS darauf, das Oberste Gericht gewaltsam zu übernehmen.
„Dies wird vergleichbar sein mit den Elementen der vorläufigen Maßnahme in Bezug auf das Rentenalter der Richter von OGH. Damals wurde neben der Wiederherstellung von Richtern auch die Aussetzung der Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes in Erwägung gezogen, damit nachfolgende Richter in der Zwischenzeit nicht in den Ruhestand treten“, erklärt Dr. habil. Piotr Bogdanowicz von der Universität Warschau.
Die PiS-Regierung hatte zuvor nach Anordnung der einstweiligen Verfügung geltend gemacht, sie sei gezwungen, die Bestimmungen des Gesetzes zu ändern. Laut Piotr Bogdanowicz sind für die Aufhebung der Bestimmungen des Gesetzes keine rechtlichen Schritte auf polnischer Seite erforderlich.
„Wenn wir einen Antrag auf die Aussetzung der Anwendung des Gesetzes haben, funktioniert diese Maßnahme direkt. Es wird keine Notwendigkeit für gesetzgeberische Maßnahmen geben. Die Bestimmungen des anwendbaren Rechts – über die Struktur der gemeinsamen Gerichte und des Obersten Gerichtshofs – werden im Hinblick auf Disziplinarverfahren ausgesetzt“, betont er.
Bogdanowicz: „Der Beschluss wird vom Tribunal erlassen. Aber es kann genauso sein, als die Richter in den Ruhestand gehen sollten.  Der Präsident oder Vizepräsident kann ohne Beteiligung der Parteien selbst eine vorläufige Entscheidung treffen. Mit einer solchen Entscheidung könnten wir in Tagen rechnen.“
Was passiert in der Praxis mit den bei der Kammer anhängigen Disziplinarverfahren, wenn ihre Arbeit eingestellt wird?
„Die Verfahren in der Disziplinarkammer sollten ausgesetzt werden, sie werden nicht fortgesetzt. Dies hängt natürlich davon ab, ob das Gericht dem Antrag zustimmt und was letztendlich angeordnet wird“, betont Bogdanowicz.
Mehrere Dutzend herausragende Anwälte von Universitäten in Polen und der ganzen Welt sowie zahlreiche Organisationen zur Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit forderten die Europäische Kommission auf, die einstwillige Verfügung anzuwenden. Im Dezember 2019 sandten sie einen offenen Brief an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.
„Es ist höchste Zeit zu akzeptieren, dass wir es mit einer Situation zu tun haben, in der das Unionsrecht nicht mehr funktioniert. Bevor es zu einer weiteren Verschlechterung oder zu irreparablen Schäden kommt, sind daher vorläufige Maßnahmen erforderlich.
Die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die wir derzeit in Polen beobachten, sind in der Geschichte der EU beispiellos. […] In Ermangelung einer unmittelbaren Reaktion auf diese Ereignisse – in Form einer einstweiligen Verfügung – werden wir keinen Zweifel daran haben, dass dies der Beginn des Endes des gemeinsamen und zusammenhängenden EU-Rechtssystems sein wird“, schrieben die Unterzeichner.
Deshalb schlugen die Autoren des Briefes unter anderem die Aussetzung der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts bis zur endgültigen Entscheidung des EuGHs vor. Sie wollten, dass die Richter der Kammer von der Arbeit in den Organen des Obersten Gerichts ausgeschlossen werden, und dass der Präsident keine Disziplinarangelegenheiten in der ersten Instanz festlegt.
Die von der Europäischen Kommission im Oktober 2019 beim EuGH gegen die polnische Regierung eingereichte Beschwerde ist die dritte im Hinblick auf die „PiS-Reform“ der Justiz. Der Umfang der Vorwürfe sei sehr groß, wie Dr. Maciej Taborowski, stellvertretender Bürgerrechtsbeauftragter, in einem Interview sagte.
[…] „Der Kommission zufolge sind die Disziplinarkammer selbst sowie die Disziplinargerichte aufgrund ihrer Bezeichnung keine Gerichte, die den Standards des EU-Rechts entsprechen“, erklärte Taborowski.
Die Kommission stellte fest, dass das derzeitige Modell von Disziplinarverfahren eine politische Kontrolle des Inhalts von Gerichtsentscheidungen ermöglicht. Und damit auch die Belästigung von Richtern durch Fragen, die in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fallen, die auch Gerichte des EU-Rechts sind.
„Das so aufgebaute Disziplinarwesen kann, wie die Kommission feststellt, eine abschreckende Wirkung auf die Richter haben und sie davon abhalten, dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen“, sagte er.
Die Beschwerde der Kommission ging im Oktober beim Gerichtshof ein. Dies hat die PiS-Politiker offenbar nicht beeindruckt. Bereits im Dezember legten sie dem Sejm einen Gesetzesentwurf vor, der das Disziplinarwesen für Richter und Staatsanwälte drastisch verschärft. Die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts soll das ausschließliche Recht erhalten, Anträge auf Aufhebung der Immunität von Richtern und Staatsanwälten zu entscheiden.
Der so genannte „Maulkorbgesetz“ widerspricht den Empfehlungen der Europäischen Kommission. Aus diesem Grund appellierte Vizepräsident Jourová an die polnischen Behörden, die Gesetzgebungsarbeit einzustellen, und traf sich in Brüssel mit dem Senatsmarschall Tomasz Grodzki. Ende Januar 2020 wird sie selbst nach Warschau reisen.
Die Beschwerde der Kommission im Oktober lenkt die Aufmerksamkeit des EU-Gerichtshofs auf die Arbeitsweise der Disziplinarkammer. Am 19. November 2019 beantwortete der Gerichtshof eine Frage des Obersten Gerichts. Die Arbeitskammer fragte darin, ob die Disziplinarkammer ein Gericht im Sinne des EU-Rechts sei.
Der EuGH hat die Angelegenheit nicht beigelegt, sondern die Arbeitskammer angewiesen, die Unabhängigkeit der Disziplinarkammer und des neuen nationalen Richterrates unabhängig zu beurteilen. Er gab dafür eine Reihe von Kriterien an. Auf ihrer Grundlage entschied das Oberste Gericht am 5. Dezember, dass die Disziplinarkammer kein Gericht ist und das neo-KRS nicht unabhängig von Politikern ist.

Zsfg.: MB

https://oko.press/jest-zielone-swiatlo-komisja-europejska-poprosi-tsue-o-srodek-tymczasowy-ws-sadowych-zmian-pis/?utm_medium=Social&utm_source=Facebook&fbclid=IwAR2XRrI63Mjzw9mbPDZ-Z-CnmuDqnx5SzTCEIMnpqNHpLgRIn3R6xZ5GG1Q#Echobox=1579017782

 ZITAT DER WOCHE

Die Demokratie bedeutet Streit. Demokratie heißt, täglich Unterschiede zu entdecken. Demokratie strebt nicht nach einer Gesellschaft, in der alle dieselbe Sprache sprechen, so sind die totalitären Systeme. Und man muss mit diesem Streit leben.

 

Basil Kerski – ein deutsch-polnischer Kulturmanager, Journalist, Politikwissenschaftler und Essayist. Seit März 2011 leitet er das Europäische Solidarność-Zentrum in Danzig.

 

Quelle: https://oko.press/basil-kerski-nie-zolnierze-wykleci-nie-wojny-nie-polak-ktory-krwawi-jest-symbolem-polskosci/?u=true

MEDIENSPIEGEL – IN DER DEUTSCHSPRACHIGEN PRESSE ÜBER POLEN

spiegel.de

Richter und Bürger demonstrieren gegen neuen Teil der Justizreform
https://www.spiegel.de/politik/ausland/polen-richter-und-buerger-demonstrieren-gegen-neuen-teil-der-justizreform-a-8650407b-9ddc-46cc-9647-53da6ddd2b14


tagesspiegel.de

Putin gibt Polen Mitschuld am Zweiten Weltkrieg
https://www.tagesspiegel.de/politik/geschichtsstreit-putin-gibt-polen-mitschuld-am-zweiten-weltkrieg/25397584.html?utm_source=pocket-newtab


deutschlandfunk.de

„Die EU ist gefordert, Druck auf Polen zu entfalten“
https://www.deutschlandfunk.de/bverfg-vizepraesident-harbarth-die-eu-ist-gefordert-druck.868.de.html?dram:article_id=467427


zdf.de

„Green Deal“ – Was sagen die Polen dazu?
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-in-europa/green-deal-was-sagen-die-polen-dazu-100.html?fbclid=IwAR3JBnqZiQlqxef0xv_Yi3dksVroYMjnQ41gRjBC4-pXaw-6llFaO5wvtOI


deutschlandfunk.de

EU will einstweilige Verfügung gegen Disziplinarkammer
https://www.deutschlandfunk.de/polen-eu-will-einstweilige-verfuegung-gegen.1773.de.html?dram%3Aarticle_id=467902&fbclid=IwAR1Gf6P5U6BTMFYLhe_gryCBQNfltLjhDpc-w06aCglA4l5YRz8hrZPCBQ4

 

DEKODER auf Deutsch
https://dekoder.com.pl/deutsch-artikel/

DIALOG FORUM – Perspektiven aus der Mitte Europas
https://forumdialog.eu/

POLEN und wir – älteste Zeitschrift für deutsch-polnische Verständigung
http://www.polen-und-wir.de/
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Christel Storch-Paetzold | Andreas Visser | Krzysztof Wójcik
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