Polen-Newsletter 17/2018
vom 26.04.2018
Mitte 21 – Verein zur Förderung der Völkerverständigung und der Demokratie e.V.
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news.rmf.fm.pl
Mindestvoraussetzungen für einen Kompromiss zwischen der Europäischen Kommission und Polen
Die Erwartungen der Europäischen Kommission gegenüber Polen im Streit um Rechtsstaatlichkeit sind bekannt:
1. Es muss schnell sein.
Frans Timmermans erwartet, dass die Probleme bis zu der nächsten Sitzung des Europäischen Rates erledigt werden, d. h. bis zum 14.05.2018. Eine Sitzung des Sejms wurde für 8.-11.05.18 und eine des Senats für 9.-11.05.18 geplant.
2. Bedingung 1, die außerordentliche Klage muss weg.
Das neue Gesetz sieht eine zusätzliche Kammer des Obersten Gerichtshofes vor, die sich ausschließlich mit dieser Klage beschäftigen sollte. Mit dieser Klage könnten praktisch alle Urteile, darunter auch die rechtskräftigen, angefochten werden. Sollte die Klage abgeschafft werden, so ist diese Kammer überflüssig. Die 20 dort arbeitenden Richter müssten dann anderweitig eingestellt werden, bzw. andere Kompetenzen haben. Insofern müssten entsprechende Gesetze verabschiedet werden. Allerdings wird die Regierung damit Schwierigkeiten haben. Es war eine Idee des Präsidenten, insofern wird es für ihn schwierig sein, gegen sie zu votieren. Andererseits wird er auch nicht gerne als Blockierer des Kompromisses auftreten.
3. Bedingung 2, Prof. Gersdorf bleibt.
Nach der Novellierung sollte die bisherige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Prof. Gersdorf, wegen Erreichen der Regelalters-Pension vorzeitig die Amtszeit beenden, was als ein Verfassungsbruch gilt. Prof. Gersdorf steht der PiS Regierung kritisch gegenüber, ihre Kompetenzen umfassen jedoch nicht die Leitung der Disziplinarkammer des OGH. Somit ist diese Bedingung auch für PiS machbar.
4. Bedingung 3, keine vorzeitige Rente für die andere OGH Richter.
Laut der Novellierung sollten die Richter, die das Rentenalter erreicht haben, genauso wie Prof. Gersdorf automatisch die Amtszeit beenden, es sei denn, dass sie den Präsidenten Duda um Verbleib im Amt bitten. Laut Kompromissvorschlag sollten diese Richter bis zum Ende der Amtszeit bleiben.
oko.press.pl / liberal
Eine Ohrfeige für Duda. Eltern behinderter Kinder machen ihn verantwortlich für unerfüllte Wahlversprechen
„Ich werde mein Wort halten, weil ich ein Mann bin, der sein Wort für heilig hält“. So griff Duda Komorowski während des Präsidentschaftswahlkampfes an. Am Freitag zwangen ihn die im Sejm demonstrierenden Eltern von Erwachsenen mit Behinderungen, eine Aufzeichnung des Treffens von 2015 zu sehen, bei dem der Präsident ihnen seine Versprechen gab. Keines von denen erfüllte er.
Präsident Andrzej Duda ist nach der Ministerin Elżbieta Rafalska der zweite Politiker, der zu den Eltern der Erwachsenen mit Behinderungen kam, die im Sejm protestieren. Am 18. April 2018 begannen 17 Personen, Eltern und ihre Kinder, mit der Besetzung der Sejm-Korridore. Es ist die Fortsetzung ihres Protestes von 2014.
Im Namen der gesamten Gesellschaft fordern die Demonstranten sofortiges Handeln:
· Erhöhung der Sozialrente von 744 PLN [ca. 180€] auf den Betrag der niedrigsten Rente der Sozialversicherungsanstalt (ZUS), d.h. 1000 PLN
· Einführung einer Rehabilitationsbeihilfe in Höhe von 500 PLN anstelle von 150 PLN, die an alle Personen mit erheblichen Behinderungen gezahlt wird. Also an Personen, die nach dem 18. Lebensjahr nicht in der Lage sind, sich selbst zu versorgen
Am 20. April überraschten die Demonstranten Andrzej Duda, der kam, um sie anzuhören. Sie zeigten ihm einen Film von der Vorwahl-Versammlung von 2015, in dem Andrzej Duda über Eltern und Erziehungsberechtigte von Behinderten sagte: „Sie sind Helden in jeder Gesellschaft und jedes Land sollte sie schätzen. Der Präsident darf keine Angst und Scham haben, diese Menschen zu treffen. Es ist eine Schande für den polnischen Staat, dass solchen Menschen nicht geholfen wird, dass sie betrogen werden.“
Verlegen hörte der Präsident die Aufnahme. Er versprach den Demonstranten, dass die Gesetzesinitiative entweder von seiner Anwaltskanzlei oder von der Kanzlei des Ministers Elżbieta Rafalska vorbereitet werden würde. Doch die Eltern kündigten an, dass sie nach der Erfahrung der Wahlkampagne die Sejm-Korridore nicht verlassen würden, bis sie das Gesetz gesehen haben.
tvn.24.pl / liberal
Der Anführer des ONR-Pommern ist als Fremdenführer im Museum des 2. Weltkriegs beschäftigt
Der Präsident von Danzig, Paweł Adamowicz, hat am 19. April an das Justizministerium einen Verbotsantrag der rechtsnationalistischen Organisation ONR (National Radikales Lager) eingereicht. Es ist eine Reaktion auf die am 14.04.2018 in der Stadt stattgefundene Tagung und den Aufmarsch des ONR.
Darüber hinaus machte Adamowicz während seiner Pressekonferenz publik, dass der Danziger ONR-Anführer Krzysztof Przyborowski seit 3. März 2018 als offiziell lizenzierter Museumsführer im Museum des 2. Weltkriegs arbeitet.
Die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ fand zudem Einträge von Przyborowski auf Facebook, in denen er Fotos eines der Museumsräume bringt, die sich auf die Geschichte des italienischen Faschismus beziehen. Eine Ausstellung, die Mussolini gewidmet ist und faschistische Plakate aus jener Zeit präsentiert. Diese Fotos kommentierte er mit den Worten: „Der schönste Saal des Museums des 2. Weltkriegs“.
Przyborowski wehrt sich gegen die Veröffentlichung: „Anders als es scheint, zeigen die Einträge nicht meine Faszination für den italienischen Faschismus als Ideologie, weil ich mich zwar für den Nationalismus interessiere, jedoch nur für den polnischen, nicht den italienischen.“
wyborcza.pl / liberal
Unabhängige Festfeier zum Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto. Eine Absage an den Präsidenten und die Regierung
„Wir wollen nicht an einer Festfeier des Präsidenten teilnehmen. Eine Festfeier von Politikern, die sich in diesem Jahr mit Barrieren und Kontrollen schützen, an einer Festfeier, die von Leere und nationalem Pomp geprägt ist, mit Vertretern der Regierung, deren Premierminister in der Lage ist, ebenso eine Flamme für NSZ-Kollaboratore anzuzünden”, schreiben die Organisatoren der unabhängigen Feierlichkeiten zum Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto, darunter Freunde von Marek Edelman.
Am Donnerstag, 19. April, sind es 75 Jahre nach dem Ausbruch des Aufstandes im Ghetto. Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten ist, wie bei den vorherigen, die Zeremonie um 12.00 Uhr vor dem Denkmal für die Ghetto-Helden. Es wird von der Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen organisiert. Um das Denkmal herum werden Abschnitte mit Barrieren eingezäunt, die nur von Personen mit Einladungen betreten werden dürfen. „Ich wurde eingeladen, aber ich werde nicht teilnehmen. Ich halte es für eine Beleidigung, sich dem Denkmal nicht frei nähern zu können“, sagt Paula Sawicka von dem Verein Offene Republik, eine Freundin von Marek Edelman, einem der Anführer des Aufstandes im Ghetto.
Seit zwei Jahren sind Zäune und Kontrollen fester Bestandteil der Zeremonien vor dem Denkmal, an denen Andrzej Duda teilnimmt.
salon.24.pl
ONR, „Solidarność” und Kirche – große Sorgen Polens
Der polnische Rechtsradikalismus stellt sich als Bündnis von drei Kräften dar: des ONR’s (National Radikaler Lager), der „Solidarność” und der Katholischen Kirche. Dieses Bündnis kam zum Ausdruck bei der Sondermesse, die ohne Erlaubnis der Kurie in der Kirche der Heilige Barbara in Danzig für ONR zelebriert wurde.
„Am Samstagabend füllte sich die Kirche bei Długie Ogrody in Danzig mit ONR Aktivisten in schwarzen Uniformen. Später gingen sie durch die Straßen von Danzig und schrien: Tod den Volksverrätern! Wir werden das große Polen erkämpfen und den heiligen Glauben verteidigen! Zwischen den Flaggen der ONR gab es auch die Flagge einer verbrüderten Neonazi-Organisation aus Italien, Forza Nuova, die von der Enkelin von Mussolini gegründet wurde.“, berichtete die größte Zeitung Polens Gazeta Wyborcza am 17.04.2018.
Auch die ehemals weltweit bekannte Gewerkschaft „Solidarność” unterstützt die braune Welle. Der historische Saal in der Danziger Werft wurde an das ONR für eine Versammlung vermietet.
Es ist eine große Sorge für Polen, da die Kluft zwischen Aussagen der Vertreter der Kirche und der „Solidarność” und deren tatsächlicher Handlungen riesig ist. Einerseits kritisiert die Bischofskonferenz ausdrücklich Nationalismus: „Die katholische Kirche steht dem Nationalismus kritisch gegenüber, weil das Erheben einer Nation auf die Spitze der Hierarchie der Werte zur Blasphemie führen kann.” Andererseits ist in diesem Zusammenhang die Verherrlichung von Nationalismus durch die Kirche kaum erklärbar. Wie heilige Messen für rechtsradikale Fußballfans in der wichtigsten Pilgerkirche Polens Jasna Gora in Tschenstochau oder die Beteiligung von katholischen Geistlichen, einschließlich Bischöfen, an rechtsradikalen Demonstrationen.
Auch die Gewerkschaft „Solidarnosc” scheint im Schulterschluss mit den Radikalen zu sein. Der Vertreter der Gewerkschaft und gleichzeitig PiS Abgeordneter Janusz Sniadek sagte, dass die Proteste der regierungskritischen Bewegung KOD schlimmer sind als die Anwesenheit von Neonazis in der Danzigen Werft.
https://www.salon24.pl/u/foltynowicz/859643,onr-solidarnosc-kosciol-wielkie-zmartwienie-polski
onet.pl / liberal
Zwei PiS-Europarlamentarier von der Wahlbeobachtungsmission ausgeschlossen
Die Abgeordneten des EU-Parlaments Ryszard Czarnecki und Kosma Złotowski (beide von PiS) werden bis zum Ende der Legislaturperiode das EU-Parlament (EP) nicht mehr in Wahlbeobachtungsmissionen repräsentieren, beschloss eine Sondergruppe des EP, die für die Beobachtungsmissionen außerhalb der EU zuständig ist. Als Begründung für den Ausschluss der zwei polnischen Abgeordneten sowie eines Euro-Parlamentariers aus Großbritannien wird angegeben, sie hätten den guten Ruf des Parlaments in Verruf gebracht, indem sie eigenmächtig zu den Wahlen nach Aserbeidschan gefahren sind und sich dort als EP-Beobachter ausgegeben hatten. Damit verstießen sie gegen den Beschluss des Parlaments. Zudem unterstützten sie die Wahlen als „fair“, während sowohl das EP wie auch die OSZE die Wahlen, die von der Opposition boykottiert wurden, von Anfang an als gefälscht bewerteten.
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